Dienstag, 12. Januar 2010

Da geht die Post ab…

 

Es ist erstaunlich, wie bei der Post die Post ab geht… leider nur im Bezug auf Briefe und Pakete.

Wenn ich den Gang zur Post wage, dann immer mit einem mulmigen Gefühl im Bauch. Was wird mich dort erwarten?

Selten ist es eine kurze Warteschlange oder flinke Postmenschen. Vielmehr werde ich zuerst von einem Hitzeschlag begrüßt, wenn ich die Post betrete. Bei Wetterverhältnissen, die einem Blizzard gleichkommen, packe ich mich gerne warm ein und bin geneigt all meine Kleidung von mir zu reißen, sobald ich die flimmernde Hitze-Sphäre des Postraumes betrete. Um die anwesenden Kunden nicht zu schockieren entscheide ich mich aber regelmäßig dagegen. Nicht jeder hat Interesse daran, ein männliches Gemächt herum baumeln zu sehen.

Nachdem ich den Hitzeschock hinter mich gebracht habe, fällt mir sofort das zweite Phänomen auf: Das Zeitparadoxon!

Die Deutsche Post ist in der Lage, Einsteins Relativitätstheorie auf den kopf zu stellen. So sollten sich schnelle Körper, relativ zum Beobachter, langsamer in der Zeit fortbewegen. Bei der Post läuft das aber ganz anders: Je langsamer man sich bewegt, desto langsamer vergeht die Zeit. Ich fühle mich wie in einem Schwarzen Loch, wo die Zeit fast eine Singularität erreicht. Sozusagen eine Nullzeit… die Zeit scheint einfach still zu stehen. Wenn man die Angestellten hinter dem Tresen aber genauer beobachtet und sehr viel Geduld mitbringt, kann man Bewegung erkennen. Also ruft nicht sofort den Notarzt: Die Damen und Herren leben noch… sie bewegen sich nur sehr träge.

Wie dem auch sei… ich stelle mich ans Ende der kilometerlangen Schlange. Hier könnte ich einige Theorien über die Krümmung des Raums, und die dadurch entstehenden Möglichkeiten unheimlich viele Menschen in einen kleinen Post Raum zu pressen, auslassen, aber ich habe erbarmen und fasse mich kurz.

Nun hat man genügend Zeit die Umstehenden zu beobachten. Hinter mir steht eine Frau mit ihrem Göttergatten. Beide recht jung… aber der Wille des Mannes hat die Frau bereits gebrochen. Immer wieder nörgelt sie über die lange Schlange. Es ist zwar offensichtlich, dass sie die Schlange für drei Schalter anstellt, aber das will die Dame nicht begreifen. Sie drängt ihren Pantoffelhelden immer wieder dazu, dass er zum Schalter gehen soll, wo gerade eine Person bedient wird und etwas Abseits der Schlange liegt. Der gute Mann kontert verzweifelt und kleinlaut, dass man sich dort sicher nicht einfach anstellen kann. Seine Beteuerungen unterstreicht er am Ende jedes Satzes mit einem verzweifeltem “Liebling”. Natürlich ignoriert die Frau die logische Schlussfolgerung, dass die ganzen Personen vor ihr in der Schlange sicherlich nicht aus purem Spaß anstehen und den Schalter nicht frequentieren, nur damit sie ihre Angelegenheit schnell erledigen kann.

Ich vermute stark, dass der Mann die folgenden Nächte auf dem Sofa verbringen darf. Ehelicher Beischlaf ist auch gestrichen. Man sollte ihm auf die Schulter klopfen und sagen: “Sei froh!”

Eine Nanosekunde später werde ich durch ein lautes Geschrei aus meinen Gedanken gerissen. Ein etwa 4 jähriger Sohnemann macht sich lauthals bemerkbar. Er schreit und heult. Er läuft hin und her aber die Mutter ist nicht in der Lage, das Balg zur Ruhe zu bringen. Ich möchte ihr einen Baseballschläger reichen, aber dummerweise habe ich keinen dabei. Dann sehe ich das Kind und denke mir: Es gibt keinen Gott!

Nun, es gibt unansehnliche Kinder… aber das Kind ist potthässlich! Es ist blass, dürr und hat Glubschaugen, die mit geröteten Augenringen versehen sind. Die Nase ist rot und der Rotz läuft beständig aus der Nase. Wenn die Mutter das Kind die Kloschüssel runtergespült hätte, würde sie jedes Gericht dieser Welt freisprechen!

Dann brüllt sie ihrem Kind hinterher: “OTTO, komm hier hin!”.

Das sind Momente, in denen man spontane Solidarität in einer Menschenschlange erkennen kann. Sofort setzt ein Raunen und Gemurmel ein und ich weiß: wir denken alle das Gleiche: Nicht nur, dass das Kind hässlich wie die Nacht ist… nein… es heißt auch noch Otto!!! In solchen Situationen möchte man das Kind schnell von dem Leid erlösen, welches das Schicksal ihm auferlegt hat. So auszusehen und dann noch Otto zu heißen hat niemand verdient. Das Kind wird immer gehänselt werden und ist es mal erwachsen, dann wird es mit Sicherheit niemals eine weibliche Brust berühren können, außer die seiner Mutter oder einer Frau, die einen extremen Fetisch für abstrakte Menschen hat. Manchmal verstehe ich Eltern nicht. Sie müssen doch erkennen, dass ihr Kind und der Name nicht kompatibel sind.

Irgendwann erinnert sich die Zeit an mich und hat erbarmen mit mir. Die Schlange vor mir wird kürzer und ich stehe dem Fürsten der Finsternis gegenüber. Er ist klein, rundlich und hat keinerlei Mimik. Er kann sogar sprechen, ohne seinen Mund zu bewegen!

Ich lege ihm mein Päckchen vor die Nase und trällere ein fröhliches “Hallo!”. Mit einer Reaktion habe ich nicht wirklich gerechnet. Er nimmt das Päckchen und sagt: “mmmgrummelmurmel”

“Bitte?”

“mmmgrummelmurmel”

“Was?”

“mmmgrummelmurmel”

“Tut mir leid. Ich kann sie nicht verstehen…”

“mmmgrummelmurmel”

Irgendwann, mit viel Fantasie und Improvisation Vermögen, höre ich aus der offensichtlichen Geheimsprache der Deutschen Post ein “4,60€” heraus.

Schnell bezahle ich den Betrag und hoffe, dass nicht wieder das Zeitloch einsetzt, bevor ich diese Räumlichkeiten verlassen habe. Ich gehe schnell an der langen Schlange vorbei und vermeide es, den Menschen in die Augen zu sehen. Am Ende der Schlange schauen die Postkunden zu Boden, wohl wissend, welch Schicksal sie erwartet.

Draußen atme ich erst mal die eiskalte Luft ein. Ich zünde mir eine Zigarillo an und nehme einen tiefen Zug. An mir gehen zwei Leute mit einigen unfrankierten Paketen vorbei.

“Arme Schweine!”, murmele ich und schlendere davon.

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